Anselm Kiefer als illustrator
Terwijl ik zelf al wekenlang helemaal âin Kiefer benâ, kwam de buurvrouw, die ook âin Kieferâ blijkt te zijn, aanzetten met deze onwaarschijnlijk mooie Duitse dichtbundel – met tussen de ballades en de verzen door meesterlijke aquarellen, die gewoon van de paginaâs afspatten.
Dit juweeltje scannen durf ik niet (behalve de kaft), dus raapte ik alles bij elkaar wat ik online maar kon vinden. Mét de nodige commentaren en aanbevelingen:

Unter einem Zuckerhimmel
Wir spielen
unter einem Zuckerhimmel
Krieg,
nennen flackernde
Strohfeuer
Ewigkeit
und jede Katastrophe
einen Sieg.
Was immer auf uns niederfÀhrt:
Wir nehmen es gelassen,
heiter
und spielen
und spielen weiter
unter einem Zuckerhimmel Krieg.


Heimkehr von den Irrfahrten
â Christoph Ransmayr und Anselm Kiefer schufen ein Buch, das ĂŒberdauern wird
Publiziert am 2. Januar 2023 von Frank Dietschreit
Odysseus ist mĂŒde und ausgelaugt, viel zu lange war er unterwegs, hat unzĂ€hlige blutige Schlachten geschlagen, sich auf der Suche nach der verlorenen Heimat heillos verzettelt und ist durch das Labyrinth der Menschheitsgeschichte geirrt. Die sich um ihn und seine endlose Reise rankenden Mythen und MĂ€rchen sind ihm nur noch schnuppe und können seine Sehnsucht nicht mehr stillen.
Ausgezehrt liegt der listenreiche StĂ€dteverwĂŒster in irgendeinem Krankenhaus, lĂ€sst seine Blutwerte noch einmal checken, wartet auf seine Entlassungspapiere und seinen Pass, sieht bereits das Meer wieder vor sich âund auf seinem Spiegel / ein gleiĂendes Gespinst möglicher Routen, / ein KnĂ€uel von Routen der Heimkehr, / die am Ende vielleicht / alle zurĂŒckfĂŒhren / in die Ruinen von Troja.â
Mit einem durch Zeit und Raum, RealitĂ€t und Utopie irrlichternden âOdysseusâ eröffnet Christoph Ransmayr seinen neuen Band mit Gedichten und Balladen, in dem Schönheit und Schrecken, Poesie und Politik, Dichtung und Malerei sich vermĂ€hlen und zu einem göttlichen Kunstwerk vereinen. âUnter einem Zuckerhimmelâ lautet der fast idyllische Titel dieses schillernden Crossover-Projekts, zu dem der renommierte KĂŒnstler Anselm Kiefer zahllose Aquarelle beigesteuert hat.
Mit Tusche, Bleistift und Kohle hat Kiefer, dessen Werk schon oft um blutige AbgrĂŒnde, verdrĂ€ngte Kriege und vergessene Mythen kreiste, seine Farb-Fantasien den poetischen Visionen gegenĂŒbergestellt. Was Kiefer auf Gips und Karton getupft und gespritzt hat, bebildert und kommentiert nicht die Balladen und Gedichte, sondern spricht eine eigene kĂŒnstlerische Sprache, lĂ€sst mal eisig blaue, mal blutig rote Farbe auf einen Malgrund tropfen, zieht schwarze Linien und kindlich gekritzelte Buchstaben durch die erdig und steinig wirkende Landschaft.
Christoph Ransmayr lebte Jahrzehnte aus dem Koffer, machte das Unterwegs-Sein zur Lebens-Philosophie, war stets auf der Suche nach einem ĂŒberraschenden Gedanken und schönen Gedicht, durchquerte WĂŒsten, stieg auf hohe Berge und reiste zum Nordpol, war immer ein Reisender und Suchender, der âDie Schrecken des Eises und der Finsternisâ und âDie letzte Weltâ besang, âEine kurze Geschichte vom Tötenâ und den âAtlas eines Ă€ngstlichen Mannesâ beschwor.
Jetzt scheint Ransmayr zur Ruhe gekommen und lebt wieder in Wien. Doch umso dringlicher erinnert er an den ruhelos durch die Geschichte irrenden âOdysseusâ, sendet uns âNachrichten aus der Höheâ und erzĂ€hlt vom âTrost des Steinschleifersâ, der sich oft stundenlang verliert in den Tiefen kristalliner Strukturen und in ihnen âein geheimnisvolles, laut- und zeitloses Bild der Weltâ sieht, âdas ihn alle Sensationen und Schrecken / der Geschichte des organischen Lebens / vergessen lĂ€sst / und ihm verspricht: / Etwas von dieser Arbeit / wird ĂŒberdauern. / Nicht fĂŒr immer, aber lĂ€nger, / viel lĂ€nger als alles, / was welken, faulen / und schmerzen kann.â
Der Dichter als Steinschleifer: Auch die Balladen und Gedichte des heimatlos durch Gedankenwelten reisenden Poeten werden ĂŒberdauern, noch lange weiter leben und uns den Weg dahin zeigen, wohin wir doch alle immer wieder zurĂŒck kehren wollen: nach Hause. In der âBallade von der glĂŒcklichen RĂŒckkehrâ ist der ziellos um den Globus reisende Dichter das Unterwegssein leid:
âGenug! Genug. Eines Tages ist es genug. // So weit sind wir gegangen, / so hoch sind wir hinaufgestiegen, immer höher, / bis uns der nĂ€chste Schritt ins Blaue gefĂŒhrt hĂ€tte, / in die Wolken, nur noch ins Leereâ. Erduldet hat er âOrkan. Hunger. Wunden. / Höhenwahn. Fieber. Angst. / Die Erschöpfung oder das Heimweh.â
Doch jetzt reicht es: âEines Tages kehren wir unseren TrĂ€umen / den RĂŒcken / und machen uns auf den Weg in die Tiefe, / zurĂŒck zu den Menschenâ, wollen nur noch ânichts wie weg. / Wir wollen nach Hause!â Doch das Zuhause muss kein Ort, kann auch eine Erinnerung sein: an die âBuchstabensuppe, deren Lettern auf dem Tellerrand von meiner Mutter zu Zeilen angeordnet wurdenâ, den Gedanken, dass âVerse und gesungene Strophen die vollendete Form einer Geschichteâ sein und Balladen den Krieg besingen, aber nicht bannen können:
âWir spielen / unter einem Zuckerhimmel / Krieg, // nennen flackernde / Strohfeuer / Ewigkeit // und jede Katastrophe / einen Sieg. // Was immer auf uns niederfĂ€hrt: / Wir nehmen es gelassen, / heiter // und spielen / und spielen weiter / unter einem Zuckerhimmel Krieg.â
Dass Autor und Maler sich lange schon kennen und schĂ€tzen, Ransmayr dem Freund ein literarisches Denkmal setzte (âDer Ungeborene oder Die Himmelsareale des Anselm Kieferâ), der sich jetzt sich mit zeitlos-schönen Bildern revanchierte, darf man getrost einen GlĂŒcksfall nennen. Ein Prachtband zum Verweilen und TrĂ€umen, ein Buch, das man immer wieder neu lesen und anders betrachten kann. Ein Buch, das ĂŒberdauern wird.
Christoph Ransmayr: âUnter einem Zuckerhimmel. Balladen und Gedichteâ, illustriert von Anselm Kiefer. S. Fischer Verlag, 208 S., 58 Euro.
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Infos:
Christoph Ransmayr, geboren 1954, lebt nach Jahren in Irland und auf Reisen wieder in Wien. FĂŒr seine Romane âDie Schrecken des Eises und der Finsternisâ, âDie Letzte Weltâ, âMorbus Kitaharaâ, âDer fliegende Bergâ, âCox oder Der Lauf der Zeitâ, âDer Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Tötenâ und âAtlas eines Ă€ngstlichen Mannesâ erhielt der Autor zahlreiche, auch internationale Auszeichnungen. âUnter einem Zuckerhimmelâ ist der zwölfte Band seiner Buch-Reihe âSpielformen des ErzĂ€hlensâ. (FD)
Anselm Kiefer, geboren 1945, zĂ€hlt zu den bedeutendsten und innovativsten KĂŒnstlern der Gegenwart. Mit Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Film und Installation versucht er immer wieder, sich der jĂŒngeren deutschen Geschichte zu stellen, das âNichtdarstellbareâ zu erfassen und Motive und Themen aus Philosophie und Literatur, Wissenschaft und Religion in Bilder zu verwandeln. 2008 erhielt er (als erster bildender KĂŒnstler) den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.



Ein groĂformatiger, opulent ausgestatteter Band im Werk von Christoph Ransmayr: Balladen und Gedichte, illustriert von Anselm Kiefer
»In den ersten jener abenteuerlichen, von RĂ€tseln erfĂŒllten Jahre, die manchmal schwĂ€rmerisch Kindheit genannt werden, habe ich ErzĂ€hlungen vor allem als GesĂ€nge gehört.« Die ersten Geschichten im Leben Christoph Ransmayrs waren die GesĂ€nge eines hĂ€uslichen Frauenchors, in dem seine Mutter und mit ihr eine Magd alles, was einem Kind erzĂ€hlt werden sollte, sangen. Diesem Beispiel folgend erzĂ€hlt Christoph Ransmayr nun in Balladen und Gedichten von abenteuerlichen Reisen nicht nur ins Hochgebirge, in das Blau des Himmels oder an den Meereshorizont, sondern durch die Zeit.
Anselm Kiefer hat Ransmayrs Balladen und Gedichte mit Serien von Aquarellen begleitet, die er ausschlieĂlich fĂŒr diesen Band geschaffen hat. Die vorliegende opulent ausgestattete Sammlung verschrĂ€nkt die Sprache Christoph Ransmayrs mit der Kunst Anselm Kiefers. »Unter einem Zuckerhimmel« erscheint als der zwölfte Band, als Sonderband, in Christoph Ransmayrs Reihe »Spielformen des ErzĂ€hlens«.


Odysseus
Ausgezehrt liegt der listenreiche StĂ€dteverwĂŒster in irgendeinem Krankenhaus, lĂ€sst seine Blutwerte noch einmal checken, wartet auf seine Entlassungspapiere und seinen Pass, sieht bereits das Meer wieder vor sich âund auf seinem Spiegel / ein gleiĂendes Gespinst möglicher Routen, / ein KnĂ€uel von Routen der Heimkehr, / die am Ende vielleicht / alle zurĂŒckfĂŒhren / in die Ruinen von Troja.â






